Herz erwärmende Augenblicke

Eines Tages hatte ich meinen Bewohnern einen schönen Strauß Flieder mit auf den Wohnbereich gebracht. Wir saßen alle um den großen Tisch in der Wohnküche, sprachen über den Frühling, sangen Frühlingslieder und freuten uns über den Sonnenschein.

Ein sehr lieber Herr befand sich in der Gruppe, der in den letzten Wochen leider erheblich abgebaut hatte. Er saß abwesend im Rollstuhl und sprach nur noch sehr selten. Meistens dämmerte er vor sich hin und es war schwer, seine Aufmerksamkeit einmal zu erlangen. 

Dann reichte ich einen Fliederzweig herum, damit alle einmal den intensiven Duft der Blüten erschnuppern konnten. 

Als ich bei dem besagten Herrn ankam und ihm die Fliederblüten zum Riechen hinhielt, riss er die Augen auf, schnupperte noch einmal und sagte ergriffen: "Flieder!" Er sah mich strahlend an. Ich konnte kaum fassen, dass ich sein Innerstes einmal erreicht hatte und er so  glücklich über den Fliederduft war. Seine strahlenden Augen werde ich nie vergessen. 

Wahrscheinlich kann dies nur jemand verstehen, der Schwerst-Demente  betreut oder pflegt. Welch ein Hochgefühl man erlebt, wenn ein Mensch, der die meiste Zeit teilnahmslos vor sich hindämmert, nicht mehr richtig sprechen kann, auf einmal so eine freudige, bewusste Reaktion zeigt. Die Gewissheit, dass man zu ihm durchgedrungen ist.

Dies waren die Augenblicke, wofür ich meine Arbeit über alles geliebt habe.

 

Überforderung ist nicht produktiv

 

Frisch motiviert kam ich von einer Fortbildung zum Thema "Beschäftigung mit Alzheimer-Patienten" zurück. Das Malen wurde sehr empfohlen und Anleitung gegeben, die ich nun in einer Gruppe erproben wollte. Einige Teilnehmer nahmen gern teil, andere lehnten ab mit der Begründung: "Ich habe noch nie gern gemalt, warum sollte ich das jetzt tun?" Tja, nicht jeder mag es... 

Auch eine Bewohnerin, von der ich wusste, dass sie früher, viel gemalt hatte, holte ich mit an den Tisch. Sie hatte inzwischen ihre Sprache fast verloren, die motorischen Fähigkeiten waren stark eingeschränkt Mit meiner Hilfe begann sie zu malen. Ich musste mich natürlich auch um die anderen Gruppenteilnehmer kümmern. Als ich wieder zu ihr kam, warf sie den Stift weg, hatte einen verzweifelten Gesichtsausdruck und begann zu weinen. Ich war erschüttert - was war passiert? Erst langsam wurde mir klar, dass dies ein deutliches Zeichen einer Überforderung war. Sie hatte festgestellt, dass sie einfach nicht mehr so zeichnen konnte, wie früher. Das machte sie wütend und traurig. 

Mich hat dieser Vorfall sehr beschäftigt und ich fühlte mich nicht gut. Als betreuende Person sollte man während einer Beschäftigung den Kranken sehr gut im Auge behalten (was mir hier leider nicht möglich war) um bei ersten Anzeichen einer Überforderung einzugreifen, zu helfen oder die Tätigkeit abzubrechen.

 

 

 

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